Identifikation
Signatur:
Ar 545
Entstehungszeitraum / Laufzeit:
1971-2003
Umfang:
0.8 m
Kontext
Verwaltungsgeschichte / Biographische Angaben
Von Paul Bösch, Journalist, zusammengetragene Dokumentation zum sog. Fall Stucki.
Das Divine Light Zentrum in Winterthur ist eine Lebensgemeinschaft von Anhängern des 2000 verstorbenen indischen Mönchs Swami Omkarananda. Das DLZ war in den Siebzigerjahren in zahlreiche Rechtsstreitigkeiten mit Nachbarn sowie lokalen und kantonalen Behörden verwickelt. Die Streitigkeiten eskalierten und im Oktober 1975 beschafften sich zwei DLZ-Anhänger in Brüssel Bomben und Schusswaffen. Eine Bombe explodierte in der Nacht vom 7. auf den 8. Oktober vor dem Haus des damaligen Zürcher Regierungsrates Jakob Stucki in Seuzach, weitere Bomben zündeten nicht; ebenfalls versagten Bomben beim Haus eines Rechtsanwalts.
Die Täter wurden rasch verhaftet, einige Monate später wegen Verdachts auf Anstiftung mehrerer Straftaten auch Swami Omkarananda .Swami Omkarananda und seine Anhänger wurden am 22. Mai 1979 vom Bundesstrafgericht zu teilweise langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Die Bundesstrafgerichtsbarkeit war gegeben, weil sich um ein Sprengstoffdelikt handelte. Die Zürcher Polizei wurde von Beamten eines belgischen Spezialdienstes am Vortag des Attentats über die Beschaffung der Bomben in Brüssel orientiert. Sie verlangten eine Vertraulichkeitszusage, weshalb ihre Aktion nachher in den Untersuchungsakten und vor dem Bundesstrafgericht nicht erwähnt wurde.
Nachdem Anhänger des DLZ schon kurz nach dem Attentat behauptet hatten, dieses sei von der Polizei provoziert oder sogar durchgeführt worden, nahm Paul Bösch, Redaktor beim Tagesanzeiger, die Angelegenheit wieder auf. Er stellte mehrere Thesen auf und verlangte von der Bundesanwaltschaft und der Zürcher Regierung eine Bestätigung oder Widerlegung. Seit 1998 veröffentlicht er Artikel über die polizeilichen Ermittlungen nach dem Bombenanschlag auf das Haus des damaligen Regierungsrates Jakob Stucki. Bösch vermutete aufgrund von Akten, die ihm von einer den Behörden nicht bekannten Person übergeben wurden, Unregelmässigkeiten; insbesondere nahm er an, es seien Akten unterdrückt oder manipuliert worden und direkt Beteiligte hätten als Polizeispitzel die Angehörigen des DLZ zu Straftaten angestiftet.
Die Kontroverse um diese schwerwiegenden Verdächtigungen bewogen den Bundesrat, den aufgeworfenen Fragen nachzugehen. Er ermächtigte das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), die im Bundesarchiv auch für die Verwaltung gesperrten Staatsschutzakten vor 1990 einzusehen, und beauftragte es, wenn nötig eine Administrativuntersuchung durchzuführen. Der Bund wurde auch auf Ersuchen der zuständigen Zürcher Regierungsmitglieder tätig. Die Zürcher Kantonspolizei hatte die Ermittlungen im Auftrag der Bundesanwaltschaft durchgeführt, weil Sprengstoffdelikte der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen. Das EJPD beauftragte am 30. März 1999 alt Bundesgerichtspräsident Jean-François Egli mit der Administrativuntersuchung. Er führte diese unter Beizug von Bundesgerichtsschreiber Theo Bopp durch und erstattete am 14. September 2000 dem EJPD Bericht. Der Schlussbericht von Jean-François Egli stellte einige Unregelmässigkeiten fest. Insbesondere wurden die Angeklagten vor Gericht nicht über verdeckte Ermittlungen informiert und dadurch in ihren Verteidigungsrechten beschnitten. Die Hauptvorwürfe konnte der Bericht aber nicht bestätigen.
Jakob Stucki wurde am 10. Juli 1924 in Seuzach geboren. Von Beruf war er Land- und Gastwirt in Seuzach. 1947 heiratete er Margaretha Frauenfelder. Er trat der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB) bei und war zunächst einige Jahre Mitglied der Sekundarschulpflege. 1958 wurde er zum Gemeindepräsidenten von Seuzach gewählt. Von 1959 bis 1971 vertrat er seine Partei im Zürcher Kantonsrat. Nachdem 1971 die BGB mit den Demokratischen Parteien der Kantone Glarus und Graubünden fusionierte und die Schweizerische Volkspartei (SVP) gründete, erfolgte Stuckis Wahl in den Zürcher Regierungsrat. Von 1979 bis 1987 war er Ständerat.
Übernahmemodalitäten
Die Akten wurden dem Schweizerischen Sozialarchiv am 11.04.2014 von Paul Bösch übergeben.
Inhalt und innere Ordnung
Form und Inhalt
Aktensammlung von P. Bösch betr. Attentat auf Regierungsrat Stucki. Vorhanden sind umfangreiche Kopien von Verfahrens- und Prozessakten: Gutachten, Untersuchungsberichte, Vorberichte, Fotodokumente, Urteile sowie von Paul Bösch erstellte und zusammengetragene Dokumente (Chronologien, Übersichten, Notizen, Korrespondenzen, Medienberichte).
Bewertung und Kassation
Kassiert wurden Mehrfachexemplare und Doubletten.
Neuzugänge
Es werden keine Neuzugänge erwartet.
Zugangs- und Benutzungsbedingungen
Zugangsbestimmungen
Der Bestand ist im Lesesaal des Schweizerischen Sozialarchivs ohne Benutzungsbeschränkungen einsehbar.
Sprache/Schrift
Unterlagen vorwiegend in deutscher Sprache
Sachverwandte Unterlagen
Verwandte Verzeichnungseinheiten
Ar 540: Aktensammlung P. Bösch zum Fall "Meier 19"
Verzeichnungskontrolle
Informationen der Bearbeiter*in
Der Bestand wurde im April 2014 von H. Villiger und U. Kälin bearbeitet.